Sylvaine Delacourte Interview

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Trotz Emanzipation und Frauenquote gibt es immer noch Berufe, die seit Jahrhunderten als reine Männerdomäne gelten und in denen Frauen es recht schwer haben sich durchzusetzen und zu etablieren. Die Parfumerie zählt zweifellos dazu. Natürlich gibt es gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Veränderungen und Frauen können sich immer mehr verwirklichen und ihr Können und Wissen unter Beweis stellen. Doch leider fällt noch zu oft das Argument, Frauen könnten keine erotischen Parfums kreieren. Ein Vorurteil, mit dem Männer die Duftbranche nahezu frauenfrei hielten (bzw. zum Teil immer noch halten). Die glorreichen Zeiten der Parfumgeschichte waren von Männern geprägt. Die erste bedeutsame Parfumeurin, an die ich mich erinnern kann, ist Sophia Grojsman, die den pudrig anmutenden Weltbestseller Trésor oder mit Paris den wohl schönsten Blütentraum seiner Zeit für Yves Saint Laurent komponierte. Später eroberte Annick Menardo das Parfum-Parkett und revolutionierte mit ihren kreativen Schöpfungen die Duftwelt, wie dem süßen, schweren und hocherotischen Hypnotic Poison oder dem sinnlich-warmen Bois d’Arménie für Guerlain – einem ganz umhüllenden und mysteriösen Duft-Erlebnis, das mit einer bis dahin nicht gekannten weichen Holzigkeit des Gaiac-Holzes (des Holzes des Lebens „Lignum Vitae“) überraschte und dazu mit süßrauchig-harzigen und außergewöhnlich-schillernden Facetten, verziert war. Mitte der 80er begann auch die Erfolgsgeschichte von Sylvaine Delacourte. Sie ist für mich definitiv eine (der wenigen) Pionierinnen im Bereich der Haute Parfumerie. Lange Zeit verweilte sie hinter den Kulissen (bzw. im Schatten berühmter Männer wie Jean Paul Guerlain und Thierry Wasser) und hat dabei doch die Art, wie wir uns heute in großem Maße beduften, mitbestimmt und unsere Wahrnehmung von Parfum verändert. Deshalb sehe ich Sylvaine Delacourte als eine der bedeutendsten Damen in der Welt der schönen Düfte. 


Die Ästhetik von Sylvaine Delacourte ist ein Manifest, das die Schönheit als absolut betrachtet. So paart sie Kreativität mit Scharfsinn, unterwirft sich keinerlei Normen und revolutioniert alles, womit sie in Berührung kommt, um mit Fleiß, außergewöhnlichen Engagement und ganz besondern Einfallsreichtum ihre Visionen in die Tat umzusetzen. Als Directrice für Parfumentwicklung des prestigeträchtigen Hauses Guerlain, begleitete sie seit Mitte der 90er sämtliche Etappen der Parfumentwicklung – angefangen bei der ersten Idee, über das Briefing und die Auswahl der namenhaften Parfumeure, bis hin zum fertigen Parfum. Als Marketingexpertin war sie zudem insbesondere an der Namensfindung der Düfte sowie an deren Flakongestaltung und dem Verpackungsdesign sowie der kompletten Reklame maßgeblich beteiligt und bestimmte, welches Parfum in welchem Teil der Erde lanciert wird. Das ist (war) ein indirekter Einfluss auf uns – Parfumliebhaber – und die Art, wie wir duften, aber vor allem, auf die Kreation von neuen Duft-Trends. Sylvaine Delacourte hat eine Ära in der Welt von Guerlain markiert und ist dabei selbst zu einer Ikone geworden.

Sie ist somit das, was wir zu Recht als parfumeur extraordinaire bezeichnen können. Heute wie damals brennt die unzähmbare Flamme der Begeisterung für die Parfumerie in ihr, was ich sehr bewundere, da viele Menschen mit der Zeit die Leidenschaft für ihren Beruf oft verlieren. Mich fasziniert ihr Charme und Humor und ich schätze ihre Aufmerksamkeit im Umgang mit anderen, ihr Interesse an ihren Gesprächspartnern und was diese über ihre olfaktorischen Schöpfungen denken. Das zeugt von persönlicher Größe und Klasse.
 
Die Geschichte dieser anmutigen Französin mit hypnotisierenden blauen Augen ist eine Art modernes Märchen über ein junges Mädchen, das einst in die große fremde Stadt kam und unerwartet die Liebe in den mystischen Parfums von Guerlain fand (zumindest vereinfacht zusammengefasst). Sylvaine Delacourte zog als junge Dame nach Paris. Sie interessierte sich seit Kindertagen immer für Make-up und alle Dinge, die schön und glänzend waren. Das war ihre große Leidenschaft und so wollte sie in der wundervollen Beautywelt ihre Berufung finden. Ihre unbändige schöpferische und künstlerische Fantasie fand zunächst in Make-up Kreationen ihren meisterhaften Ausdruck und dem Wunsch die Schönheit jeder Frau zu unterstreichen. Ihre erste Station war das renommierte Haus Lancaster, wo sie als veritable Make-up Artistin hingebungsvoll mit Texturen, Farb- und Lichteffekten arbeitete, bevor sie zu Guerlain kam und (zuerst) Direktorin für Make-up-Kreationen wurde. Zu dieser Zeit hatte sie noch recht wenig Ahnung von Parfums. Doch sie fühlte sich von ihnen angezogen und ihre Neugier wurde immer größer, schließlich arbeitete sie für das (wohl) schönste Parfumhaus der Welt.
 


Damals gab es keine hauseigenen Schulungen zum Thema Parfum bei Guerlain. Sylvaine hielt das für eine absolute Notwendigkeit bei der Ausbildung der Marketing- und Vertriebsteams. Damit die Mitarbeiter die Kunst der Guerlain Parfums verstehen lernen, realisierte sie diese Idee und wurde zur Direktorin dieses Bildungsprogramms. Um dieses Konzept erfolgreich umzusetzen, begann sie selbst zwei Jahre die Kunst und Wissenschaft der Haute Parfumerie zu erlernen, um alle Schritte der Parfumeure (insbesondere die Verwendung von Inhaltsstoffen) nachvollziehen und anderen erklären zu können. Dazu besuchte sie die Cinquième Sens (noch heute schwärmt sie von ihrer Lehrerin Monique Schlienger, die sie nicht nur inspirierte, sondern ihre Sicht auf Parfums vollkommen revolutionierte und ihr vermittelte, was Liebhaberinnen und Liebhaber von Parfums in Schwingungen versetzt), später die ISIPCA, Firmenich und genoss sogar Privatunterrichte bei Jean Claude Ellena. Inspiriert durch die Tradition von Guerlain und dessen reiche Geschichte, begann sie schließlich an den olfaktorischen Schöpfungen des Hauses mitzuarbeiten.

Als Zeichen der Anerkennung für Sylvaine Delacourtes erstklassige Arbeit, ihre in der Branche viel gelobte Expertise im Bereich außergewöhnlicher Düfte und ihres Gespürs für perfekte Rohstoff-Proportionen, wurde sie fortan Directrice der Parfumentwicklung und entwarf an der Seite von Jean Paul Guerlain als Kreativdirektorin mit begeistertem Elan bis heute unvergessen gebliebene Düfte. Die Verschmelzung der Talente von Jean Paul Guerlain und Sylvaine (der Meisterin des Marketings) brachten eine wunderbare schöpferische Verbundenheit zutage, obwohl es nicht immer einfach gewesen ist ihre Ideen gegenüber denen des legendären Jean Paul Guerlain zu verteidigen. Während sich beide bei Héritage noch einig waren, musste Sylvaine um die Lancierung von Champs-Élysées (mit Olivier Cresp) oder L'Instant de Guerlain und Insolence (beide in Zusammenarbeit mit Maurice Roucel kreiert) nahezu kämpfen. Doch es sollte sich lohnen. Ihr Instinkt bei der Schöpfung von Düften, die im höchsten Maße luxuriös und in ihrer Reinheit und Individualität einzigartig sind, erwies sich als bravourös. Sylvaine lebt Parfum und füllt dieses Métier total aus und hat große Freude daran. Deswegen ist sie so authentisch. Genau das ist der Schlüssel zum Erfolg: Wenn wir das, was uns wichtig ist, aus Überzeugung und mit Leidenschaft machen und absolut dahinterstehen. Dann finden wir auch Erfüllung. Alle (gut, wir wollen nicht übertreiben, fast alle) Kreationen, an denen sie mitwirkte, wurden zu legendären Klassikern ihrer Zeit, deren Erfolg und Beliebtheit bis heute nahezu ungebrochen geblieben sind.

Nach über 30 Jahren hingebungsvollen Wirkens für die ikonische französische Marke (und über 70 mitentwickelten Parfumkreationen - wusstet ihr, dass Sylvaine auch die Düfte der exklusiven Pflegelinien von Guerlain Orchidée Impériale und Abeille Royale kreiert hat?), war es an der Zeit für die Mutter zweier Kinder eine neue Richtung in ihrem Leben einzuschlagen und ihren Traum von einer eigenen Parfum-Marke zu verwirklichen.
 


Für die erste Kollektion ihrer eigenen Parfum-Marke wollte Sylvaine Delacourte mit weißem Moschus arbeiten – einem Grundstoff, den sie persönlich sehr bewundert. In einem ergreifenden Kontrast, zwischen architektonischer Präzision und sinnlicher Raffinesse, bringt Sylvaine ihr Talent mit einer meisterhaften Virtuosität zum Ausdruck und präsentiert mit La Collection Muscs 5 verschiedene Persönlichkeiten von weißem Moschus. Wie auch zuvor bei ihren Kreationen für das Haus Guerlain, war es Madame Delacourte auch bei den Düften für ihre ganz eigene Marke wichtig, nicht nur das Näschen zu erfreuen, sondern auch Geist und Herz zu erheben und das spüre ich mit jedem schnuppern. Mir scheint es, dass jeder Duft mit einem betörenden Hauch von Freiheit, Traum und Poesie umweht ist und durch den magischen Kontakt mit meiner Haut eine neue Dimension dieses Rohstoffs eröffnet und meine Fantasie mit raren Essenzen auf neue Reisen zu den schönsten Destinationen schickt. Ich hatte die Ehre und das Vergnügen Sylvaine Delacourte zu einem Interview zu treffen und mit ihr über ihre olfaktorischen Vorlieben und ihre Parfum-Marke zu sprechen. 

Liebe Madame Delacourte, Sie hatten das einzigartige Geschenk, Monsieur Jean Paul Guerlain als Ihren Mentor zu genießen. Was bleibt für Sie von seiner wertvollen Lehre unvergessen?

Sylvaine Delacourte: Monsieur Jean Paul Guerlain hat mir beigebracht die kostbarsten Rohstoffe auszuwählen, was den Düften eine einzigartige Ausstrahlung verleiht, die weder durch den Lauf der Zeit noch durch Modetrends beeinträchtigt wird, und die Rohstoff-Qualitäten klug unterscheiden zu können. Er hat mich auch in das Geheimnis der einzigartigen Guerliande eingeweiht und gelehrt Rohstoffe gekonnt über zu dosieren, um sie so auf sublime Weise in den Mittelpunkt einer einzigartigen Duftkomposition zu stellen. Immer encouragierte er mich nach kurzen, dafür aber sehr aufwendigen, Duft-Formeln zu suchen. Solch ein bis ins kleinste Detail ausgearbeiteter kompositorischer Feinschliff ist der Schlüssel für die Kreation eines exzellenten Parfums. Und ein exquisites Parfum ist immer an seiner hochwertigen Duftstruktur zu erkennen. Er war sehr anspruchsvoll, was Ausdruckskraft und Sillage von Düften anbelangte und wollte immer Düfte kreieren, die sich regelrecht wie Bomben projizierten.

Sie haben sich entschieden für Ihre eigene Parfum-Marke mit zwei Parfumeurinnen zusammen zu arbeiten: Anne-Louise Gautier (für Dovana) und Irene Farmachidi (für Florentina, Helicriss, Lilylang & Smeraldo). Wie wählen Sie Parfumeure aus und wie gestaltet sich ihre Zusammenarbeit?

SD: Die Parfumeure, mit denen ich zusammenarbeite, sind keine „Stars“, das mag ich nicht. Dafür mag ich Menschen, die sehr großzügig und herzlich in ihrem Wirken sind. Vor allem wähle ich bestimmte Parfumeure aus, weil wir die gleiche Sensibilität haben, die gleichen Emotionen für Rohstoffe, die gleiche Vision der Duftkonstruktion. Wir können sagen, dass wir die gleiche Sprache sprechen oder dass wir wie ein Paar sind, das einem Neugeborenen das Leben schenkt.

Als wir mit der Arbeit zu meiner ersten eigenen Parfum-Kollektion begannen, habe ich die Düfte zuerst für mich in meinen Gedanken entworfen. Das mache ich immer so. Ich habe die Fähigkeit den fertigen Duft in meinen Gedanken zu riechen, bevor ich überhaupt anfange an ihm zu arbeiten. In der Tat fange ich nie an, an einem Parfum zu arbeiten ohne eine perfekte Vision, eine starke Idee, von ihm zu haben. Dann gebe ich den Parfumeuren eine genaue Kurzfassung meiner Gedanken und meine Auswahl an Rohstoffen und die Art ihrer Orchestrierung. Dann beginnt der Prozess sich gemeinsam meiner Idee von einem Duft anzunähren. Das alles ist ein sehr präziser Vorgang. Unisono erstellen wir zuerst die Duft-Harmonie, die maximal 10 Zutaten beinhaltet, dann verstärken wir diese Duft-Harmonie mit anderen Rohstoffen, um eine Duft-Symphonie zu bekommen. Eine Formel, die den Traum, aus dem die Inspiration gewachsen ist, wahr werden lässt.

Bei meinem absoluten Lieblingsparfum L'Instant Magic haben Sie bereits mit reichlich weißem Moschus gearbeitet. Ich habe gelesen, dass dieser Rohstoff schwer zu bearbeiten sei. Warum haben Sie sich entschieden diesem Rohstoff eine gesamte Kollektion zu widmen?

SD: Ich mag Moschus sehr, weil er weich, zart und eine Art olfaktorischer Pashmina-Schal ist. Es ist richtig, es ist sehr schwieirg Moschus in einem Duft - gut - zu verarbeiten. Gerade deshalb wollte ich mich der Herausforderung stellen, einen sehr schwierigen Rohstoff zu bearbeiten, der zwar eine starke Ausdruckskraft besitzt, aber es sehr schwierig ist, ihm eine gute Projektion zu geben. Zudem wollte ich Parfumliebhabern die Möglichkeiten aufzeigen, die Moschus als Grundstoff eines Parfums zu bieten hat. Ich glaube, ich habe es geschafft, einer Überdosis von Moschus 5 sehr unterschiedliche Schattierungen zu verleihen.
 
Wie wird Moschus in Ihrer Kollektion verwendet?

SD: Es ist immer eine komplexe Mischung von ungefähr 10 verschiedenen Moschus-Essenzen, die ich je nach Charakter des Dufts (Gelb, Grün, Weiss, Grau, Blau) in unterschiedlichen Proportionen ausgewählt habe. Das ist ein Novum auf dem Parfum-Markt. Es gibt keine Kollektion mit unterschiedlich interpretierten Facetten von Moschus.
 
An Ihrer Kollektion beeindruckt mich sehr, dass Ihre Parfums klassisch und modern zugleich riechen. Besonders in meinen Favoriten Lilylang und Florentina scheint der tiefe Respekt für die Geschichte der Parfumerie widerzuhallen. Wie bringen Sie das Beste aus der Vergangenheit mit der Frische der Moderne so gut in Balance?

SD: Zuerst vielen Dank für dieses liebe Kompliment. Das war genau das, was ich erreichen wollte. Die Mischung aus Klassik und Moderne ist das, was ich sehr mag. Ich strebe danach Düfte zu komponieren, die unprätentiös sind, aber dabei nicht unscheinbar, aufrichtig und in besonderer Weise edel. Dazu bevorzuge ich klare Duftakkorde, denen es gelingt auch mit wenigen Aromen eine Vielfalt an Eindrücken zu wecken, um in uns Emotionen hervorzurufen. Wie so etwas erschaffen wird, ist schwer in Worte zu kleiden, es ist ein instinktives Gespür und das Ergebnis einer jahrelangen Erfahrung.

Oft entwickeln Parfumeure und Parfum-Marken über die Jahre einen eigenen erkennbaren Stil, wie die Guerlinade von Guerlain, die Strenge von Chanel, der übertrieben orientalische Stil von Serge Lutens. Als Künstlerin, die in einem unsichtbaren Medium arbeitet, versuchen auch Sie den Düften, die Sie entwickeln, eine eigene Signatur einzupflegen - etwas, das als Ihr olfaktorischer Fingerabdruck bezeichnet werden könnte?

SD: Ich denke, mein Stil ist gekennzeichnet von Subtilität und Sensibilität in vielen Facetten. Meine Parfums sind lebendig, haben viele natürliche Inhaltsstoffe und einen großen Wohlfühlfaktor. Ich mag keine zu opulenten Düfte, aber natürlich auch keine schüchternen Mauerblümchen (lacht). Meine Parfums haben Präsenz, sind aber nicht schlagkräftig. Ich mag keine aggressiven Noten. Im Laufe der Jahre habe ich einen sehr persönlichen Stil gefunden, der Behaglichkeit und zarte Sinnlichkeit miteinander verbindet.

Wie würden Sie diesen ganz persönlichen Parfum-Geschmack definieren?

SD: Ich mag besonders pudrige und blumige Nuancen und Vanille-Noten und natürlich Moschus in allen möglich und unmöglichen Varianten. Aber vor allem mag ich Überraschungen und das Spiel mit Kontrasten. Was ich überhaupt nicht mag und womit ich deshalb auch nicht arbeiten kann, sind animalische Noten und Oud.


Auf L'Amour en Flacon versuche ich die Bedeutung der Auswahl eines Parfums zu erklären, das zu uns persönlich passt und mit unserem persönlichen Stil übereinstimmt. Wie sollten wir unser Parfum auswählen und auftragen?

SD: Ich habe einst für meine Arbeit an den maßgeschneiderten Parfums (Bespoke Fragrances) eine eigene Psychoanalyse mit olfaktorischen Tests erarbeitet, um die Wünsche des Kunden an seinen individuellen Duft bestmöglich verstehen und dann in dem für ihn eigens komponierten Duft umsetzen zu können.
 
Doch heute sehen wir immer mehr Menschen, die nicht nur ein Parfum kaufen, ihren einen Signature-Duft, wie es früher immer oft der Fall war. Das ist auch der Grund, warum ich empfehle viele verschiedene Düfte auszuprobieren um sich, je nach Stimmung und Anlass, eine eigene Kollektion aufzubauen, fernab der Trends und maskulin-femininen Klischées, dafür entsprechend unserer tiefen persönlichen und olfaktorischen Vorlieben. Zum Beispiel habe ich eine Vorstellung von Dovana als einen weichen Duft, der seine Trägerin beim zu Bett gehen begleiten sollte.

Bei der Verwendung eines reinen Parfums sollten nur einige wenige Tropfen auf die Pulspunkte morgens aufgebracht werden. Dann bleibt das Parfüm intim, nicht stark. Ein Parfum sollte nie wirklich aggressiv sein. Ein Eau de Parfum oder Eau de Toilette kann großzügiger um den Haaransatz, am Hals, auf die Handgelenke, in die Ellbogen, um den Brustbereich und um den Bauchnabel aufgesprüht werden, auch auf die Innenseite der Knie. Am besten auf die frisch geduschte Haut, dann hält der Duft besonders gut und wir haben den ganzen Tag Freude daran.
 
Was ist der Hauptunterschied zwischen der Arbeit für Guerlain und der für Ihre eigene Marke?

SD: Guerlain ist und bleibt ein Teil von mir, weil ich diese Marke so sehr liebe. Aber ich wollte die Freiheit haben, meinen eigenen Weg zu gehen und Risiken zu wagen. Ich kann jetzt wirklich in einen sehr kreativen Prozess gehen, ohne durch Marketingdruck blockiert zu werden. Nach wie vor ist meine Beziehung zum Haus Guerlain sehr gut. Ich bleibe weiterhin als Beraterin für das Haus tätig, leite die Sparte der maßgeschneiderten Parfums (Bespoke Fragrances) sowie (Marketing-)Schulungen. Nur neue Düfte werde ich für das Haus nicht mehr mitentwickeln.  
 
Zu Beginn des Schaffensprozesses meiner eigenen Duft-Kollektion stand ein künstlerischer Neuanfang. Weg vom Druck der Parfum-Industrie und der Notwendigkeit diesem gerecht werden zu müssen. Hin zu Selbstbestimmtheit und Wahrhaftigkeit sowie dem unbändigen Wunsch etwas tief Berührendes zu erschaffen.
 
Was nicht bedeutet, dass ich in meiner kreativen Arbeit bei Guerlain eingeschränkt gewesen wäre. Nach meinen Vorstellungen und unter meiner Federführung entstand die besonders herausragende Linie in der noblen Familie der exklusiven Guerlain-Parfums: L’Art et la Matière. Diese glorreiche Sammlung erlesener Ausnahmedüfte habe ich mit einigen meiner Lieblings-Parfumeure geschaffen. [Sylvaines Liebling ist dabei Cuir Beluga - ein sündhaft deliziöser Vanilletraum, dezent ambriert, leicht würzig und mit feinstem Leder umrundet, anschmiegsam, weich und absolut süchtig machend - ein Duft, den sie eigentlich für sich selbst mit Olivier Polge kreierte.] Auch La Petite Robe Noir war ursprünglich eine meiner exklusiven Kreationen, bevor Thierry Wasser die Formel sehr charmant kidnappte, um sie un peu plus interrationaler zu machen (Sylvaine lächelt verschmitzt).

Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und kenne daher das Bestreben nach neuen inspirierenden Herausforderung sehr gut. Doch fehlte mir immer ein kleines Stückchen Mut mein Projekt umzusetzen. Ein junger Unternehmer, schenkte mir dieses kleine Quänt­chen Be­herzt­heit und bestärkte mich in meiner Entscheidungsfindung und mein langersehnter Traum wurde nun Wirklichkeit.

Was ist das Wichtigste, das meine Leser über Ihre Parfum-Marke wissen sollten?

SD: Das Wichtigste an meiner Marke ist die Entdeckungserfahrung, mitzukommen auf eine olfaktorische Reise, um 5 verschiedene, kreative Visionen von einem einzelnen Rohstoff zu erkunden.

Meine Parfums gibt es (bis auf sehr wenige Ausnahmen) nicht im Laden zu kaufen, sondern nur über meine Website zu bestellen. Dort können Parfuminteressierte nicht nur das Parfum erwerben, sondern sich auch ein Discovery-Kit für nur 4 Euro bestellen, um die Düfte im Vorfeld ganz in Ruhe zu Hause kennenzulernen.
  
Jeder Duft basiert auf einer ganz bestimmten Erinnerung und ich lasse Parfumliebhaber damit einerseits einen Blick in meine Seele werfen, möchte dabei anderseits aber auch die Türen zu ihren ureigenen Erinnerungen öffnen. Zudem verfolge ich auch ein ganz pragmatisches Ziel: Ich möchte das faszinierende Kunsthandwerk der Duft-Komposition und meine Neugierde rund um den Geruchssinn an Duftliebhaber weitergeben und sie mit meiner kreativen Energie anstecken. Meine Website ist deshalb nicht nur ein Verkaufsweg. Es ist ein Ort, an dem ich über Rohstoffe unterrichte - pädagogisch und interaktiv, weil ich meine Leidenschaft zu Parfums mit anderen teilen will.

Vielen Dank, dass Sie sich für L'Amour en Flacon Zeit genommen haben.

Fortsetzung...
 
www.sylvaine-delacourte.com
Fotos © Sylvaine Delacourte