Mona di Orio Les Nombres d’Or Violette Fumée

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Erinnert ihr euch an den Duft eurer Kindheit? Meine erste bewusste Erinnerung an Düfte verbinde ich mit wundervoll duftenden Pivoines. Obwohl der Garten meiner Großeltern ein wunderschönes Potpourri aus blühenden Geranien, Oleander, Hortensien, Astern, Chrysanthemen, Dahlien und Flieder präsentierte, habe ich mich in Pfingstrosen verliebt. Auch wenn ich heute noch an Pfingstrosen schnuppere, finde ich mich plötzlich als kleines Kind im Garten meiner Großeltern wieder. Ich laufe, wie damals, barfuss hinaus und spüre das warme Gras meine nackten Füße kitzeln. Auf der Terrasse spielt meine Großmama Werke ihres Lieblingskomponisten Fauré auf der Geige (sie war und ist bis heute eine begnadete Violinenspielerin - in ihrer Jugend war sie im Ensemble der Staatskapelle Berlin) und es scheint, als würden ihre Violinenklänge mit dem Wind vom Sommer singen und die Blumen im Rhythmus der Sonnenstrahlen zusammen mit den ringsum flatternden Schmetterlingen tanzen und mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Duftkomposition:
Kopf: Lavendel vom Mittelmeer, Bergamotte aus Kalabrien, Eichenmoos aus dem Balkan, Safran
Herz: Veilchen und Veilchenblätter aus Ägypten, Damaszener Rose aus der Türkei,
Bourbon Vétiver aus Haiti, Muskatellersalbei, Guajakholz
Basis: Opoponax aus Somalia, Myrrhe aus dem Oman, Cashmeran
 
Auch die legendäre Mona di Orio war von den mannigfaltigen Duftimpressionen aus dem mediterranen Garten ihrer Großeltern, die sie als kleines Mädchen in den Ferien an der Südküste Frankreichs besuchte, fasziniert. Das Flair dieser atemberaubend schönen und pittoresken Landschaft, mit ihren schmalen Gässchen, strahlenden Häusern in Gelb, Orange, Rot und hängenden Blumen an schmiedeeisernen Laternen, flachen Sandstränden, märchenhaften Buchten und nicht enden wollenden Lavendelfeldern, verzauberte sie. Ebenso wie die Aromen der Weinberge, die das Tal einbetteten und die herben Noten, die vom Meer über das Land wehten und mit prachtvollen Düften blühender Rosen, Zitronen, Rosmarin und Jasmin verschmolzen. Schon als Kind träumte sie leidenschaftlich mit diesen Aromen zu arbeiten und selbst perfekte Parfums zu komponieren. Dieser innige Wunsch sollte in Erfüllung gehen und ihr Herz mit unendlicher Freude erfüllen.

Mona war es vergönnt mit einer ganz besonderen Gabe geboren worden zu sein. Sie nahm Düfte anders wahr als wir – stärker, intensiver und tiefgründiger. Eine zarte Duftspur genügte, sie schloss ihre Augen und alles, was beeindruckend-schön und interessant-aufregend duftete blieb, dank ihres einzigartigen und nahezu fotografischen Duft-Gedächtnisses und ihrer bewussten sensiblen Wahrnehmung natürlicher Duftstoffe, für immer in ihrem Bewusstsein lebendig. Deshalb hinterfragte und analysierte sie bereits in jungen Jahren Gerüche, die sie umgeben haben. Antworten auf ihre Fragen fand sie in "L'Esthétique en Question" von Edmond Roudnitska. Es war für sie wie eine Offenbarung dieses Buch zu lesen, weil sie Düfte und Duftstoffe zu verstehen begann. Voller Bewunderung schrieb sie dem Autor einen flammenden Brief und wollte mehr über die Kunst der Haut Parfumerie erfahren.

Mit 17 Jahren ging die junge Französin nach Grasse. Sie glaubte an ihren Traum und an ihre Bestimmung Parfumeurin zu werden. Es sollte eine lange Reise werden, die sie, zuerst an die Universität zum Studium der Kunstwissenschaften und der Philosophie, am Ende jedoch zu ihrem zukünftigen Mentor - dem Schöpfer berühmter Duftkunst - Edmond Roudnitska führte.

Die Duft-Kreationen des französischen Meisterparfumeurs Edmond Roudnitska werden bis heute verehrt. Er selbst gilt als Wegbereiter und Pionier der modernen Haute Parfumerie und als einer der größten Nez aller Zeiten. Denn seine kreativen Parfum-Meisterwerke haben einen bleibenden Fingerabdruck in der Geschichte der Kunst der Haute Parfumerie hinterlassen und das 20. Jahrhundert olfaktorisch neu geprägt – wie Femme de Rochas, Eau d’Hermès, Diorissimo (diese Schöpfung stellt einen Meilenstein und einen besonderen Entwicklungsschritt im Bereich der Parfumerie dar – das Parfum basiert auf dem Duft von Maiglöckchen – dieser konnte allerdings nicht aus der Blüte extrahiert werden – Roudnitska entwickelte als Erster eine perfekte Rekonstruktion dieses Duftstoffs), Eau Sauvage oder Diorella. Diese Düfte kennt jeder. Den Meister selbst nur die wenigsten. Sein Leben widmete er vollkommen seiner Arbeit im Labor, die ihn zu einem Experten für natürliche und synthetische Duftsstoffe machte.

Monsieur Roudnitska war tief beeindruckt von Mona di Orios herzlich-bezaubernder Persönlichkeit und dem unstillbaren Interesse und Wunsch eines jungen Mädchens alles über die Parfumeurskunst erfahren und lernen zu wollen. Deshalb hat er sie zu seiner einzigen Schülerin auserkoren.

“Als ich Edmond Roudnitska zum ersten mal im Juli 1987 traf, konnte ich mir nicht vorstellen, wohin mich diese
einschlägige Begegnung führen würde... Erstaunlicherweise war es der Anfang eines großen Abenteuers...„
- Mona di Orio

Bei Monsieur Roudnitska genoss Mona di Orio (die aufgrund ihrer spanisch-italienischen Wurzeln, Eleganz und Stil förmlich im Blut hatte) eine Ausbildung, die sich von einer klassischen Ausbildung zum Parfumeur unterschied. Sie war weniger wissenschaftlich ausgelegt – mehr ein Studium der Natur und der heroische Versuch diese zu verstehen. Die Besonderheit: Die Natur war ihr Vorbild und Roudnitskas ganzer Garten in Cabris bei Grasse stand Mona Modell. Jeden Tag analysierte sie Blumen, Pflanzen, Kräuter, ihre Blätter, ihre Stiele und folgte deren blühenden Zyklen. Sie lernte, in dem sie im Garten spazierte und sich Düfte Tag für Tag in ihren Sinnen verewigten, um später ihre olfaktorischen Erinnerungen reproduzieren zu können. Sechs intensive Lehrjahre verbrachte Mona an der Seite ihres Mentors, in denen er ihr sein Universum edler Duftkompositionen eröffnete und sie in seine Geheimnisse um die besten und reinsten Rohstoffe einweihte, die einen Duft tragen und zum Leuchten bringen.

Mona di Orio verschmolz mit dem Wissen und der Kunst des Meisterparfumeurs Roudnitska. Aus ihrer anfänglichen Passion wurde eine Profession. Sie übernahm den persönlichen Stil ihres Meisters und ergänzte diesen Stück um Stück immer mehr durch ihre eigene, unverkennbare Signatur und entwickelte sich zu einer modernen Parfumeurin von virtuoser Begabung. Sie wusste genau, welche Akkorde ein Parfum zu einer unvergesslichen Komposition werden lassen. Monas persönliche Signatur sollte das dramatische Spiel mit Facetten des Lichts werden von hell-strahlend bis dunkel-glimmend. In Zusammenhang mit ihren Düften fällt der Begriff "Chiaroscuro", der sonst nur der bildenden Kunst vorbehalten ist (es ist ein in der Spätrenaissance herausgebildetes Gestaltungsmittel der Malerei, das sich durch starke Hell-Dunkel-Kontraste auszeichnet und der Steigerung des Ausdrucks dient, besonders in den Werken von Caravaggio zu bewundern). Dieses bravouröse Spiel mit großen Kontrasten setzte sie insbesondere zwischen dem Funkeln der strahlenden Kopfnoten, der Reflektionen der sinnlichen Herznoten und dem dunklen Vergnügen der geheimnisvollen Basisnoten ihrer Düfte um. Die charmante Duft-Komponistin betrachtete Parfums als Kunst und als eine Synästhesie aus Farben, Melodien, Geschichten, Erinnerungen, Gefühlen und Träumen.

Eine unerschöpfliche Quelle der Inspirationen, fand Mona di Orio auch in ihren Lieblingswerken der berühmten französischen Romancière Sidonie-Gabrielle Colette, die es mit ihren Worten verstand, Frauengestalten und Frauenschicksale einfühlsam-leidenschaftlich und auch ein wenig lasziv-provokant zu beschreiben. Mit der gleichen tiefen Sinnlichkeit, beschrieb sie Düfte und Gerüche, was Mona sehr bewunderte.

„Ich will Düfte kreieren, die die Leute fühlen lassen, sie zum träumen bringen, 
Erinnerungen und Überraschungen wecken.”   
- Mona di Orio

Doch was unterscheidet eigentlich das Handwerk der Parfumherstellung von der Kunst der Haute Parfumerie? Im vergangenen Semester besuchte ich eine Vorlesung über "Kunst der Neuzeit" und erinnere mich an den berühmten österreichischen Kunstmäzen Otto Mauer, der einst konstatierte, dass ein Kunstwerk Natur transformiere, vergeistige und unendlich mehr als nur die bloße Wiedergabe derselben sei. Die meisten Düfte, seien sie nun natürlichen oder synthetischen Ursprungs, basieren auf dem Vorbild der Natur. Allerdings erschaffen grandiose Parfumeure, wie Mona di Orio es war, die lernen abstrakt zu denken und nicht nur Blütenessenzen zu einem Duft zu mischen, kein olfaktorisches Abbild der erlebten Welt und Natur. Vielmehr subjektivieren sie das Reale und verleihen ihm einen persönlichen Ausdruck, in dem sie die einzigartigen Sinfonien in ihrem Kopf in olfaktorische Bilder umsetzen. Denn Kunst erwächst aus dem Beherrschen des Handwerks. Ergänzt durch Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition. Mona interpretierte ihre Düfte mit großer Sensibilität. Einem Musiker gleich komponierte sie Note um Note. Ihre Kunst bestand darin, dem Natürlichen durch gewagte Kompositionen neue Aspekte abzugewinnen und Leidenschaft, Phantasie und Emotion in einer vollkommenen Duft-Melodie einzufangen, um dem Duft eine Persönlichkeit zu schenken. Nur solch ein Parfum erkennen wir wieder, wie wir Werke von Mozart oder Beethoven aus Hunderten ihrer Art wiedererkennen (nicht ohne Grund nannte Roudnitska seine Meister-Schülerin liebevoll „little Mozart“). Stellt euch nur vor, wie viele unglaublich unterschiedliche musikalische Partituren mit den gleichen Noten geschrieben worden sind. Entscheidend ist die Zusammenstellung, die Proportion – der Goldene Schnitt. Wenn ihr das begreift, könnt ihr Monas Duftkunst erahnen.

Nach 16 Jahren der Arbeit im Duft-Labor war es an der Zeit für Mona ihre Flügel auszubreiten und etwas eigenes – etwas bleibendes – zu erschaffen. 2003 traf Mona den holländischen Modedesigner und Innenarchitekten Jeroen Oude Sogtoen. Er arbeitete damals an einem Konzept für das "The College Hotel" in Amsterdam und suchte eine Beraterin in puncto Düfte für seine eigene, speziell für Hotels ausgelegte, Luxuspflegelinie Zenology®. Accords et Parfums in Grasse hat ihm Mona di Orio empfohlen. Die beiden tauschten Ideen, Gedanken aus und merkten, dass sie die gleiche kreative Sprache verband, dieselbe Philosophie, der gleiche Anspruch an beste Qualität, Einzigartigkeit und Authentizität. Jeroen lernte die magische Welt von Mona, ihren Düften kennen und war davon verzaubert. Das war die Geburtsstunde der exklusiven Parfummanufaktur Maison Mona di Orio Parfums mit Sitz in Amsterdam.
 
„Jedes Mal, wenn ich dieses Parfum (Violette Fumée) in besonderen Momenten in meinem Leben trage, 
habe ich das Gefühl, Monas Nähe zu spüren. Jetzt ist die Zeit gekommen, dieses Gefühl zu teilen.“ 
- Jeroen Oude Sogtoen

Mit der Kollektion Les Nombres d’Or – dem Goldenen Schnitt – der mathematischen Theorie von der idealen Proportion, wollte Mona die Liebhaber außergewöhnlicher Parfums auf eine Reise voller Entdeckungen einladen. Sie fügte die Elemente der Kompositionen mit großem Feingefühl ineinander, um das Schöne und Gute zu bewahren mit dem Ideal der Vollendung und Harmonie als Ziel. Diese Parfumkreationen verstand sie nicht nur vergleichsweise, sondern wahrhaftig als Kunstwerke. In jedem Duft geht es um die tiefe Berührung des Herzens und den Versuch Wissenschaft, Kunst und Poesie miteinander zu verbinden. Inspiriert von dieser ästhetischen Theorie, die als Schlüssel zum Verständnis der naturgegebenen Klarheit und Schönheit verstanden wird, bildete Mona bedeutende Parfumklassiker aus einer zeitgemäßen Perspektive nach. Sie suchte nach der perfekten Symbiose aus vollkommenen Verhältnissen der Ingredienzien zu melodischen Harmonien und fand die göttliche Proportion. Wie in Monas Lieblingswerk "Les Fleurs du Mal" von Charles Baudelaires beschrieben, stehen hier Düfte, Farben und Klänge im Dialog.

Diese unkonventionellen Duftkreationen sind geprägt von Reichtum, Komplexität und Originalität (alle Rohstoffe und Zutaten sind von reinster und allerhöchster Qualität und stammen übrigens aus der gleichen französischen Manufaktur, die bereits Edmond Roudnitska belieferte) und präsentieren eine einzigartige Hommage an das glorreiche goldene Zeitalter der Parfumherstellung in den 1920er und 30er Jahren.
 
 
Ich möchte euch das Eau de Parfum Intense Violette Fumée aus der Kollektion Les Nombres d’Or Exclusive vorstellen. Dieses olfaktive Kunstwerk kreierte die Ausnahme-Parfumeurin einzig für ihren langjährigen Freund Jeroen Oude Sogtoen. Freundschaft ist eine außergewöhnliche Bindung zwischen Menschen. Kann es etwas schöneres geben, als dieses innige Gefühl unsterblich in einem Duft zu verewigen?

Zwei Jahre nahm es in Anspruch die Quintessenz der Person Jeroen, seine Erinnerungen aus der Kindheit und seine Träume für die Zukunft, sein Leben als Modedesigner, seine Liebe zu luxuriösen Interieurs, Couture-Kaschmir und Wildleder sowie Dinge, die er mag, Musik, Filme, Bücher, in einen Duft zu transkribieren. Geboren wurde ein Parfum aus grenzenloser Liebe und Bewunderung, dem es mit Leichtigkeit gelingt, traditionsreiche Vergangenheit mit inspirierender Gegenwart in einer sehr luxuriösen, floral-holzig-würzigen Sinneserfahrung zu verbinden.

Düfte sind der schönste Schlüssel zu unseren Erinnerungen. Allerdings vermögen nur meisterhafte Kreationen Gefühle an besondere Momente zu evozieren. Das Farbenspiel in Violett Fumée erinnert mich an Lara Fabian und an ein ganz besonderes Konzert von ihr in der Pariser L'Olympia. An jenem Novemberabend dinnierten wir im Epicure-Restaurant des L'Hôtel Bristol. Weiße Rosenbouquets und Zitrusfrüchte in großen Kristallvasen zierten das luxuriöse Interieur im Stil von Louis XV. und ihr edler Duft durchströmte den Saal und vermischte sich mit den süßen Aromen von Crème brûlée zum Dessert. Im Foyer des Theaters angekommen, lag ein gespanntes Knistern in der Luft, von draußen strömte rauchige Luft hinein, legte sich auf Pelze, edle Stoffe und auf den Duft von Shalimar (war es meins oder das der Anderen? Ich weiß es nicht mehr...). Meine Gedanken waren in der Geschichte dieses legendären Gebäudes versunken und ich genoss einen prickelnden Perignon Rosé zur Begrüßung. Dann fiel der Vorhang und ein königlicher Chandelier erleuchtete die Bühne. Lara Fabian saß mit glattem Haar und in einem schwarzen bodenlangen Abendkleid auf einer Chaiselongue. Ihre betörende Stimme von ungewöhnlicher Reinheit und beträchtlicher dynamischer, warmer und lyrischer Intensität – sinnlich und vibrierend vor Emotionen – vereinte ein überwältigendes Charisma und präsentierte virtuose Ornamente und Koloraturen. Bei französischen Chansons von Jacques Brel fiel ihre Stimme voller Nostalgie zur dunkeln Färbungen der tiefsten Noten ab, um im nächsten Moment mit perlenden Staccatos zu einem schillernd hohen Crescendo bei einer der größten Tragödie der klassischen Opernarien, die der Violetta aus Verdis "La Traviata", emporzusteigen, um im Finale mit einer phänomenalen und unter die Haut gehenden Interpretation von "Caruso" und dem melodramatischen "Immortelle" das Herz zu berühren.

Wie Lara Fabians Stimme, vermag auch die exzellente Duftkomposition von Violett Fumée in nur wenigen Augenblicken mehrere Stimmungen auszuleben und verströmt eine Atmosphäre vornehmer Zurückhaltung, die sich langsam und transparent entfaltet, um schliesslich in einem außergewöhnlichen Reichtum aufzublühen. Violett Fumée oszilliert zwischen Licht und Schatten, Leidenschaft und Kreativität, verändert sich – ist in der Morgendämmerung von leuchtend-funkelnder Zartheit mit einem übersprudelnden Hauch von Grün, verströmt gegen Mittag ein vibrierendes Bouquet der allerschönsten und verführerischsten Blütennuancen, um am Abend mit edlen, rauchigen Hölzern und einem samtigen Kaschmirgefühl auf der Haut schwerer und sinnlicher auszuklingen. Dabei fühlt sich Violett Fumée opulent und doch federleicht an, vermittelt Freude, Glück, Intimität, auch ein Hauch Melancholie vielleicht sogar geheimnisvoller Düsternis.
 

Als ich Violette Fumée zum allerersten Mal behutsam öffnete, umschmeichelte mich eine vortreffliche Komposition einer sehr schönen, ozonischen Frische mit grün-aromatischen Noten. Dieser hell-strahlende Glanz präsentierte mir eine Begegnung frischer und kühler Lavendelnoten (die hier nicht floral interpretiert sind, wie sonst in Düften, vielmehr wirken sie erdig-krautig mit leichten waldig-süßen Noten, die entstehen, wenn wir Lavendel frisch in der Hand zerreiben) mit einem herben Spritzer fruchtig-zitrisch-schillernder Bergamotte und tiefschwarzen Eichenmoos. Nach einer Weile entfaltete sich das balsamisch-holzige Aroma von Vétiver und verschmolz mit sinnlich-pudrigen und intensiv-warmen Cashmeran-Noten (einer synthetischen Komponente, die an feinsten Kaschmir erinnert - warm, weich und luxuriös). Später erblühte im Herzen das ätherische Veilchen, zunächst ein wenig zurückhaltend, sanft und zart dann aber in seinem ganzen Reichtum (sowohl Blume als auch Blütenblätter präsentierten leicht und bezaubernd ihre puder-trockene und verhalten süß-fruchtige, zunehmend dunkler und außergewöhnlich grüner werdende Attitude eingefangen wie ein funkelnder Champagner-Akkord) und wurde von der tauffrischen Samtheit honig-würziger Damaszener Rose (mit ihrem überschwänglichen Duft) in einer Harmonie aus Nähe und Vertrautheit eingerahmt (wenn ich meine Augen schließe, kann ich das Wesen dieser Blumen in all ihren Nuancen riechen - wunderschön). Jetzt ist der Moment, an dem ich begann auch eine flüchtige Spur Tabak wahrzunehmen (Jerone wollte in dem Duft eine Nuance Pfeifentabak verewigt wissen, als liebevolle Erinnerung an seinen Vater). Allerdings sind es frische Tabakblätter mit ihren fruchtig-grün-aromatischen Nuancen, die diesen Akzent prägen und in glimmende Edelhölzer einhüllen. Das Duft-Finale eröffnete ein Spektrum von sehr würzigen Dufteindrücken. Die balsamisch-süßen und erdig-holzigen Guajakholz-Nuancen stiegen auf und ließen einen rauchigen Schleier intensiv über dieser Komposition schweben und wurden mit scharfen und pikanten Noten von aphrodisierendem Safran abgerundet. Es schien als würden die Akkorde glühen (leicht herb, nicht zu süß, dafür cremig und perfekt) und mit den harzig-rauchigen Akzenten (jedoch nicht beißenden, sondern anschmiegsam-weichen) aus karamell-süßen Opoponax und dem warm-würzigen Duft der Myrrhe langsam in einer intensiven und samtweichen Umarmung von balsamischer Feinheit berauschend ausklingen.
 
Mona und Jeroen wollten einen Flakon designen, der ihre Idee versinnbildlicht, Parfum sei mehr als ein Geruch in einer Flasche. Die meisten Menschen erleben Freude, wenn sie eine Flasche Champagner öffnen, weil sie in der Regel einen besonderen Moment feiern. Mona und ihr Freund wollten diesen Moment festhalten. Den Flakon zu öffnen, sollte auch Ausdruck einer Emotion, eines besonderen Gefühls, ein Moment des Glücks sein. Deshalb ziert ein Original Jacquesson Champagner-Muselet die schwarze Verschlusskappe des aus schwerem Glas gefertigten Flakons. Damit soll die sprudelnde Lebendigkeit des Dufts symbolisieren werden. Und genau wie aus einer
Champagner-Flasche, entweicht auch aus dem Flakon ein leises ploppen beim öffnen – hört genau hin.
 
Meine Haut pulsierte als ich Violette Fumée aufsprühte. Ich musste im ersten Augenblick an L'Heure Bleue denken (die Parfums ählnen sich nicht vom Duft, sie vereint jedoch die komplexe Entwicklung ihrer dichtverwobenen Ingredienzien, die sich nahezu magnetisch anziehen und in einen kontrastreichen Spannungsbogen entladen), wie es Veilchen mit Heliotrop umhüllt und mit Rose, Nelke und Jasmin im Herzen vor Freude tanzt. Es heißt, dass wir unsere erste große Liebe nie vergessen und wir ein Leben lang auf der Suche nach einem Gesicht oder einer Berührung sind, die dieses Gefühl in uns wiederbelebt. L'Heure Bleue war der erste Duft, in den sich Mona als kleines Mädchen verliebt hat. Wir können nur erahnen, wie besonders der Moment gewesen ist, als sie den Flakon, den sie sich von ihrem ersparten Taschengeld kaufte, zum ersten Mal öffnete. Sie konnte es nicht erwarten nach Hause zu kommen und öffnete den Duft sofort auf der Straße in ihrer Heimatstadt Annecy. Ich denke, mit jedem Duft, den sie erschaffen hat, versuchte sie diesen Moment, getragen von Neugier, Spannung und Glück, nachzuempfinden und mit uns zu teilen. Guerlains Meisterwerk aus dem Jahre 1912 fängt den fragilen Moment der Dämmerung ein, in dem die Nacht über den Tag siegt. Licht und Schatten - ein Thema, welches sich wie ein roter Faden in allen Düften von Mona widerspiegelt.

Violette Fumée wirkt auf mich diffizil, macht mich neugierig und scheint wie eine Einladung zu einem Rendezvous und einem langsamen Kennenlernen zu sein, bei dem wir Düfte entdecken, die uns wahrhaftig fühlen und märchenhaft träumen lassen und eine faszinierende Alchemie auf unserer Haut erzeugen, mit ihr regelrecht verschmelzen und zu unserem ganz persönlichen Duft werden. Manchmal müssen wir ein Musikstück mehrmals hören, bevor wir es mögen oder ein Schritt zurückgehen, um die Bedeutung eines Gemäldes zu verstehen. Nur wenn wir voller Neugierde und Leidenschaft Neues entdecken, werden wir bemerkenswertes von seltener Schönheit finden.

Wie wir einen Duft auf uns wirken lassen sollten, erklärt uns ganz charmant Jeroen Oude Sogtoen im Interview mit BELLE REBELLE:

„Es geht doch nur um eines: Um die Magie des Duftes. Um die Qualität, um die Kreation, um die Wahrhaftigkeit, um die Balance. Um nichts anderes. Who cares about Nische? Für mich gäbe es nur ein Wort für dieses Phänomen: Haute Couture Parfum. In diesem Wort steckt die höchste Vollendung, die jede „große Nase“, die ganz bewusst nicht nach Marketingkriterien komponiert, in ihre Duftkreation steckt. Das erschreckende sind oft die Mainstream-Consumer, ich nenne sie INSTANTLIKEABLES. Schöne Wortkreation, oder? Was ich damit meine sind jene Konsumenten, die Parfums vollkommen unbewusst konsumieren. Aufsprühen, kurz daran riechen – oh süß, fruchtig, Joghurt, Shampoo, Bubble Gum, kauf ich! Das sind dann genau jene Parfums, die den kleinsten gemeinsamen Nenner des aktuellen Geschmacks treffen. Wo ist das Bewusstsein für Zeit geblieben? Für das Innehalten? Es ist ein so herrliches Erlebnis, den Duft auf seiner Haut in aller Ruhe zu erkunden, ihn für sich zu entdecken. Viele Konsumenten sind viel zu sehr auf die Kopfnote fixiert, doch ein komplexer Duft entwickelt sich erst nach einiger Zeit. So wie ein Rotwein, dem man Luft, Zeit und die Freiheit gibt, um in seinen vollkommenen Genuss zu gelangen. Das gilt übrigens, wie ich finde, auch für die Liebe.“

Im Dezember 2011 verstarb Mona di Orio im Alter von nur 42 Jahren an Komplikationen nach einer Rückenoperation. Auf dem Höhepunkt ihres kreativen Schaffens wurde Mona dem Leben entrissen und wir werden wohl nie erfahren, welch künstlerischen Ruhm sie noch erreicht hätte. Sie hinterließ ein olfaktorisches Vermächtnis, das von ihrem Freund Jeroen Oude Sogtoen feinfühlig fortgeführt wird, um ihr bewundernswertes Lebenswerk zu ehren und ihre besondere Geschichte weiter zu erzählen...

Ich spreche Jeroen meinen tiefsten Dank aus, dass er sich entschieden hat diesen (nur für ihn kreierten!) außergewöhnlichen Duft mit uns zu teilen. Violette Fumée ist ein großer und kostbarer Duft, ein Manifest für die Sinne, ein Duft, den ich mehr und mehr schätze, je mehr ich ihn kennen lerne. Er ist eine inspirierende Erinnerung, wie Madame di Orio das poetische Ausmaß von Licht und Schatten in ihren Kompositionen umsetzte, wie sie mit wertvollsten Rohstoffen spielte, olfaktorisch überraschende Wendungen kreierte und schließlich ihre Leidenschaft in jedem Duft verewigte. Auch wenn sie nicht mehr unter uns ist, durchdringt die Essenz ihres Schaffens unsere Luft und erinnert uns an ihre große Kunst.

www.monadiorio.com
Fotos © Maison Mona di Orio
Mona di Orio Portrait en couleur © Ludovic di Orio
Mona di Orio, Jeroen Oude Sogtoen Portrait en noir et blanc © Petrovsky and Ramone @ Manja Otten