David Jourquin Cuir de R'Eve

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Vor Kurzem saß ich in meinem Lieblings-Café in der Liebermann-Villa am Wannsee und genoss ein Stück köstlich-fruchtigen Himbeerkuchen, als plötzlich eine elegante Dame an meinem Tisch vorbeiging. Ihr Parfum – so leidenschaftlich und exzessiv, frisch und orientalisch, tief, lebhaft und vollkommen unerwartet – versetzte mich ins Paris der Goldenen Zwanziger. Wie stellt ihr euch les années folles vor? Ich bin überzeugt, es waren sehr spannende und inspirierende Zeiten, in denen Passionen auf Obsessionen trafen. Die kulturelle Schaffenskraft muss damlas einzigartig in Paris gewesen sein. Das erste Erwachen eines individuellen Lebensstils und ein euphorisches Sehnen nach Vergnügen und Lebenslust (das sich während der Schrecken des Ersten Weltkriegs aufgestaut hatte) in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in der Kultur, der Kunst und dem intellektuellen Leben. Diese Sehnsucht nach einem mondänen Lebensgefühl voller Glamour und Unbeschwertheit, entlud sich in rauschenden Partys und reizvoller Mode und dem Wunsch sich endlich frei fühlen zu wollen. Diese überbordende Atmosphäre vermittelte mir der Duft. Ich konnte dem Drang nicht widerstehen. Alles ist erlaubt – dachte ich bei mir – denn in puncto Parfum ist Hedonismus das oberste Ziel. Also warf ich alle guten Manieren über Bord und fragte die Dame kurz­ent­schlos­sen, welches Parfum sie trägt. Ich weiß, eine derartige Frage ziemt sich nicht. Wer das fragt, zieht oft verstörte oder gar misstrauische Blicke auf sich, als würde er wagen, in das Allerheiligste vorzudringen – einfach zu intim. Meine Frage erstaunte die Dame tatsächlich ein wenig, aber mit einem Lächeln nahm sie ihre Sonnenbrille ab, wir kamen in ein sehr vergnügliches Gespräch über Düfte und schließlich lüftete sie das Geheimnis um ihr Parfum. Es war Cuir de R’Eve von David Jourquin.



Ich bin zutiefst beeindruckt und überrascht, wie gut es David Jourquin gelungen ist mit dieser Duftformel den Esprit und diesen einzigartigen Look der Parisienne, ihre Kunst der Lässigkeit und ihre Widersprüche, die ihren besonderen Charme in den Roaring Twenties überhaupt erst ausmachten, einzufangen. Deshalb möchte ich euch einladen die illustre und faszinierende Welt von Eve – der Muse und Protagonistin von Cuir de R’Eve (ist euch das kleine Wortspiel aufgefallen? Cuir de R’Eve kann entweder mit "Evas Leder", als auch mit "traumhaftes Leder" übersetzt werden) – kennenzulernen. Eve ist eine lebhafte und schlagfertige junge Dame von Welt, willensstark, wagemutig und sich der Kraft ihrer Weiblichkeit wohl bewusst. Sie lebt in Paris und frönt dem süßen Nichtstun, gibt ihren Launen bedingungslos nach und genießt es mit Konventionen zu spielen. Sie verbringt ihre Tage am linken Seine-Ufer in Montparnasse auf den Terrassen der beliebten Cafés von La Rotonde und La Coupole. Ihre Stärke liegt in ihrer einnehmenden Persönlichkeit. So verwundert es nicht, dass sie von der künstlerischen und intellektuellen Avantgarde umschwärmt wird und eine Spur im Leben aller hinterlässt, deren Weg sie kreuzt. Doch noch viel mehr, als über provokanteste kunstgeschichtliche und bizarrste literarische Ideen zu diskutieren, genießt sie es ausgiebig mit Männern zu flirten und sie mit der Intensität ihres Blickes fast um den Verstand zu bringen. Es ist die Art, wie sie lacht, die Art wie sie geht, ihre gewagte Nonchalance, mit der sie schillernden Persönlichkeiten, Künstlern, Komponisten, Schriftstellern, Dichtern und Malern den Kopf verdreht. Männer drehen sich beständig nach ihr um, doch selbst die eindringlichsten Blicke verschwinden, wenn sie diese erwidert. Sie weiß genau, was Männer denken und diese lächeln sich ertappt fühlend und den Blick senkend zurück. Welcher Mann ist ihren Reizen bereits verfallen? Ernest Hemingway, mit dem sie sicherlich ausgelassen über Liebe, Tod und Krieg philosophierte... Picasso, mit dem sie sich über Poesie und Malerei angeregt unterhielt, während sie an ihrer Zigarettenspitze saugte... Cole Porter, der in Gedankenpausen zwischen den Sätzen auf dem Klavier improvisierte und sie sich zu seinen Klängen frivol im Chesterfield-Ledersessel räkelte... oder Salvador Dalí, mit dem sie surrealistische Phantasien tauschte? Doch Eve verschenkt ihr Herz mit­nich­ten an jeden.



Die olfaktorische Geschichte von Cuir de R’Eve fängt diese Vorstellungen vollkommen ein und katapultiert uns nach einer überschwänglichen Nacht voller Amusements auf die Rive Gauche und das mit reizvoll-charmanten Blüten und Früchten, die neckisch, übermütig und beschwingt im Morgenwind tänzeln und dabei ihre zarte, zuweilen intensive und stets wunderschön-pudrige(!) Aura verströmen – verfeinert mit der rauchigen Dunkelheit von Patchouli und der hypnotisierenden und unausweichlichen Sinnlichkeit traumhafter Ledernoten. David Jourquin erzählte, dass er die flirrende Atmosphäre eines Morgenspaziergangs entlang der Ufer der Seine einfangen wollte, wenn im Licht der Morgendämmerung die Garçonne nach einer ausgelassenen Nacht erwacht und zwischen den berühmten Ständen der Bouquinisten (mit ihren Bilder und antiken und zeitgenössischen literarischen Werken) vom Quai de la Tournelle bis zum Quai Voltaire flaniert.

Ein ganz besonderes Parfum benötigt natürlich auch ganz besondere Essenzen und so entfaltet sich Cuir de R’Eve mit einer prickelnden, pikanten und bitter-süßen Explosion von scharfen und warmen Akzenten von rosa Pfeffer, die sanft von einem luxuriösen Akkord aus süß-würzigen und belebenden Öl der Gewürznelke begleitet werden und dem Duft ein unwiderstehliches Funkeln verleihen. In dem Duft der zuckrig wirkenden zitrisch-fruchtigen Noten von Bergamotte findet das Prélude mit seiner sündhaft-gewagten Sinnlichkeit eine Balance und ein erfrischendes Aroma. Ein etwas anderer, dafür umso mehr bezaubernder Auftakt und ein akzentuierender Gegenpol zu dem überaus floralen Herzen. Mit dieser Kombination entfacht die Parfumeurin Cécile Zarokian (der es David anvertraut hat seine Ode an eine Frau aus den 20er Jahren in den zeitlos schönen Flakon hinein zu zaubern) die Energie und den Reichtum der Duftnoten und bringt eine zarte Frische und einen würzig-aromatischen Charakter exzellent zur Geltung. Für ein Gefühl von Schwerelosigkei, das nahezu ekstatisch ist und die Sinne vibrieren lässt. Was für ein Vorspiel... schimmernd wie ein Negligée aus Seide... zudem zieht sich, wie ein roter Faden, eine fabelhafte Komponente durch den gesamten Duft – der Geruch von losem Puder verbunden mit einer wohligen, cremigen Trockenheit.
 
Die Parfumeurin Cécile Zarokian erlernte die Kunst der Haute Parfumerie an der ISIPCA in Versailles – der von Jean-Jacques Guerlain gegründeten Hochschule für Parfumerie – und bei Robertet, zunächst in Grasse und dann in Paris.


 
Peau á peau steigt nun der dunkle und zugleich schillernde Duft von Patchouli aus den Tiefen des Fonds empor und entfaltet seine geheimnisvolle (um nicht zu sagen aphrodisierende) Wirkung. Von Koketterie beseelt, umgarnt er mit seiner schokladen-süßlichen und trocken-herben Eleganz sanft und anschmiegsam das floral-fruchtige Herz. Dabei befindet sich der Duft von Patchouli in ständiger Entwicklung. Seine Essenz wurde hier (so scheint es mir) von Cécile Zarokian weniger betäubend dafür leichter, heiterer, leiser und luftiger interpretiert, damit sie harmonischer mit den Blumenessenzen verschmelzen kann. Voller Neugierig gesellt sich alsbald die Iris samtig-weich zum Patchouli, um diesem eine neue Zartheit zu verleihen (so wirkt Patchouli noch sanfter). Ein Gleichgewicht zwischen zwei Essenzen zu finden und dabei Disharmonien zu vermeiden erfordert eine hohes Maß an Fingerspitzengefühl und eine meisterhaft geschulte Nase. Beides hat Cécile Zarokian bereits eindrucksvoll mit ihren Kreationen für Amouage, Jovoy, (mein liebstes Parfum-Liebespaar) JUL ET MAD, Laboratorio Olfattivo und MDCI bewiesen. Die Parfumkreateurin bringt einmal mehr ihre Bereitschaft zum Ausdruck, das Potenzial der Düfte über die traditionellen Grenzen hinaus zu erkunden. Im Herzen von Cuir de R’Eve entsteht dank ihrer Kreativität ein erstaunlicher Dialog. Dieser betont die Subtilität und den Charme dieses Duftduetts und versinnbildlicht dessen verführerische Leidenschaft und manifestiert kühn das Ewigschöne an ihm, ergänzt von einem Drang nach Lyrik und Farben - ein Paradebeispiele für farbig-funkelndes olfaktorisches Virtuosentum. Cécile Zarokian hat dieser floral-grünen Dimension aus klassischer Strenge einen besonders phantasievollen Touch verliehen, den ich fast schon als ein wenig verwegen bezeichnen würde.

Die Iris ist eine ganz exquisite Ingredienz in der Parfumerie mit einer unvergleichlichen olfaktorischen Fülle und verströmt hier eine mystische und elegante Aura (bevor die Iris jedoch diese besondere Duftfülle erreicht, muss sie nach der Ernte bis zu 5 Jahre reifen; das essentielle Öl, das dann durch Dampfdestillation gewonnen wird, ist sehr zäh und wird deshalb auch als Irisbutter bezeichnet - mich erinnert ihr samtiger, strahlender, blumiger Duft immer auch delikat an Veilchen). Cécile hat die Iris mit dichter Textur äußerst intensiv und verführerisch interpretiert, um auch ihre sinnliche Würzigkeit zu betonen. Nur ganz kurz blitzt flüchtig ein Hauch von Frische auf, der den majestätischen Auftritt der Iris in all ihrer Pracht jedoch nur noch intensiviert und den Duft mit einem verlockenden und exotischen Charakter veredelt. Nach und nach entwickelt die Iris überdies pudrige, trockene und holzige Noten, gewinnt dadurch zusätzliche Komplexität und verleiht dem Duft damit seine Zartheit und seine Magie. Die sonst so charakteristische Kühle der Iris wurde hier vernachlässigt, zugunsten einer leuchtenden Strahlkraft und Wärme, die der üppigen, floralen Komposition luxuriöse Intensität verleiht und apart von Patchouli eingefasst wird. Die strahlend-fruchtigen Harmonien aus entzückenden floralen Noten von Heliotrop rahmen zusammen mit der elektrisierenden Fruchtigkeit roter, reifer, saftiger Früchte die buttrigen Irisnuancen imposant ein (in Verbindung mit Vanille entsteht eine revitalisierende Mischung, strahlend und schön mit würzigen Aroma - das mich an Marzipan und kandierte Mandeln erinnert - zudem verströmt diese Mischung einen verwirrenden, eigentlich sanften, dennoch betäubenden, unwiderstehlich würzigen Duft von berauschender, intensiver Süße, die den Duft zu einem echten blumigen Orientalen macht). Diese von der Iris getragene Herznote ist ein zärtlicher, alles umhüllender, sehr femininer Duft von floraler Leichtigkeit und zudem ein sehr willkommender Kontrast zu der sich gleich entwickelnden Ledernote. Dieses leuchtend-florale Herz schimmert unschuldig und harmlos, wie ein Morgenspaziergang entlang der Seine, den David Jourquin so gerne einfangen wollte.
 
Duftkomposition
Kopf • Bergamotte, Rosa Pfeffer, Gewürznelke
Herz • Heliotrop, Irisbutter, Rote Früchte
Fond • Patchouli, Leder und Vanille
PS: David Jourquin hat den maskulin-kantigen Glasflakon von fein vernähtem Naturleder umhüllt und mit einer Kappe aus
Walnussbaumholz verschlossen um das Glas und das sich darin befindliche goldene Elixier zu erwärmen.


 
Dieser florale Zauber wird von der Intensität einer aufs feinste nachempfundenen prachtvoll-luxuriösen Ledernote, eingebettet in hochklassige, dabei aber nie überladene olfaktorische Arrangements, im Nachhall getragen. Dies ist für mich ein ganz sanfter und süchtig machender Lederakkord voll wohltuender Wärme und Geschmeidigkeit, der mit delikat-nuancierten Tabak-Schattierungen und animalischen Elementen sowie süßen Harzen und durch luftige Moschusnoten weich und ganz behutsam aufgefangen wird, um gleichzeitig Leichtigkeit aber auch Volumen zu vermitteln. Obwohl Cuir de R’Eve als eine Hommage an die Goldenen Zwanziger komponiert worden ist, hat der Duft für mich nicht viel gemeinsam mit dem in dieser Epoche so beliebten dominanten, kräftigen, groben und derb-wirkenden Russisch-Leder-Akkord. Das macht Cuir de R’Eve sehr selbstbewusst, zeitgeistig, originell und authentisch (und ohne dabei laut sein zu müssen oder gar aufdringlich zu wirken). Sanfte Ledernuancen zu komponieren und diese in ein harmonisches Zusammenspiel mit Gewürzen und Blüten zu bringen, gilt als eine große Herausforderung in der Parfumerie. Cécile Zarokian hat sich genau dieser Aufgabe gestellt und das Leder hier cremig eingebettet und überaus elegant und voller Weichheit – als ein Erlebnis für die Sinne – kreiert, auf eine ganz besonders überraschende Weise kühl und einhüllend warm (wie Kaschmir) zugleich. Ihr gelingt es, dass ich diesen vielleicht allzu populären Leder-Duft aufmerksam und neu genieße, denn nichts ist aufgesetzt oder manieriert, statt dessen erscheint der Leder-Duft-Kolorit raffiniert in immer neues Licht getaucht. Diesen zarten, lichtdurchfluteten Lederduft mit floraler Aura, hat Cécile mit der exotisch-orientalischen Note und dem leicht rauchigen Touch und holzigen Flair von Patchouli sensationell schön verflochten (dem Patchouli gelingt es, diese Komposition einerseits abzurunden, anderseits aber auch mit den Kopf- und Herznoten zu einem harmonischen Ganzen zu vervollständigen). Ein geheimnisvoll und verführerisch wirkender Fond entsteht, der in seiner Ganzheit von cremiger Vanille, die für empfindsame Tiefentöne sorgt, durchdrungen ist (und wohlmöglich auch gezügelt). Trotz seiner Opulenz tänzelt das prachtvolle Elixier durch die Luft, fast vergesse ich es, als wäre seine Aura verfolgen, und dann schließt mich die extrem verlockende Duft-Signatur im nächsten Moment wieder glücklich in die Arme. Für mich ein klassischer und wandelbarer Duft zugleich, der in meiner Erinnerung wohl schon seit jeher existiert zu haben scheint.

David Jourquin hat es ausgezeichnet verstanden, einen olfaktorischen Flirt zu modellieren. Einen Duft für Genießer und Individualisten, der einfach Lust auf das Leben und auf die Liebe macht und auf das ganze begehrenswerte Spiel drum herum - von einer anfänglichen Liebelei, die sich langsam zu einer tiefen, voller Leidenschaft geprägten Romanze entwickelt. Eine großartige und bemerkenswerte Komposition. Mit anderen Worten – Exzentrisch, extravagant, schillernd, verlockend und sinnlich und an das legendäre Paris längst vergangener Zeiten erinnernd. Gut, ich hätte es natürlich auch wissen müssen, schließlich ist die Meisterin des kreativen Parfums Cécile Zarokian am Werk gewesen.
 
Kennt ihr eigentlich David Jourquin? Ich würde ihn als eine kühne Mischung aus Künstler, Marketingstratege und Duftliebhaber beschreiben, für den es eine freudvolle Herzensangelegenheit ist, Geschichten mit seinen Düften zu erzählen. Er schildert sein Leben selbst, als eine von Düften geprägte sinnliche Reise und diese beginnt in seiner Kindheit. Düfte sind seitdem sein Spiegelbild, seine Wurzeln, die vielen Facetten seines inneren Selbst.

David Jourquin


 
Seine olfaktorische Signatur – die luxuriöse Eleganz von Leder – findet ihren Ursprung auch in seiner Kindheit. Jeden Morgen schlüpfte seine Mama in ihren Ledermantel bevor sie ihn zum Abschied küsste und zur Arbeit eilte. So waren die ersten Momente eines jeden neuen Tages für den kleinen Jungen unauslöschlich vom exotischen Parfum seiner geliebten Mama und dem für ihn magischen Duft des geschmeidigen Leders geprägt. Etwas verschwommener, aber olfaktorisch dennoch sehr präsent, erinnert sich David, dass sein Vater Zigarren rauchte und ihn manchmal auf den Markt in Pointe-à-Pitre mitnahm, wo er in süßen, kräftigen Aromen aller Gewürze schwelgte... oder an Reisen nach Guadeloupe, in die Bretagne, die Schweiz oder an eine intensiv-duftende Reise nach Marokko mit seinem Stiefvater...

Inmitten diesen duftenden Mosaiks wuchs David Jourquin im Glauben auf, Gerüche hätten etwas zutiefst authentisches, das den Kontakt mit unseren Gefühlen in einer unmittelbaren und instinktiven Weise herstellt und würden seinem Leben Struktur verleihen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, wie ich meine, um sein Empfinden von Gerüchen zu verstehen. Aus diesen Erinnerungen schöpft er Inspirationen für seine Düfte und kreiert diese mit einer solchen Intensität und Leidenschaft, die ich immer wieder bei Nischenmarken finde und so sehr schätze und bewundere. Sein Ziel ist dabei, die Essenz der Emotion mit dem Duft zu verbinden.
 
Während andere Menschen das natürliche Bedürfnis verspüren zu atmen, zu essen, zu trinken und zu schlafen, hat David das Bedürfnis die ihn umgebene Welt zu parfumieren. So skurril das auch klingen mag. Nur so fühlt er sich wohl. Der Eingangsbereich zu seiner Wohnung riecht, als ob er mit Weihrauch-Papier ausgekleidet wäre... die Küche strahlt warme Aromen von Vanille und Patchouli aus (Patchouli beruhigt ihn nämlich)... das Wohnzimmer verströmt den reichen Duft von Bohnerwachs (dieser Duft besänftigt ihn und erinnert an die glänzend gewachsten Holzböden seiner ordnungsliebenden Großmutter)... und das Schlafzimmer ist mit dem herrlichen Duft von Orangenblüten gefüllt... seine Bettwäsche versieht er dann noch mit einer nächtlichen Dosis kostbaren Eau de Cologne (so wie seine Großmutter einst die Kissen ihres Sessels mit ein paar Tröpfchen Saint-Michel Eau de Cologne beduftete, damals amüsierte ihn diese Gewohnheit, heute pflegt er sie selbst). Es hilft ihm einzuschlafen, gesteht David, zudem mag der den Geruch von Waschmittel überhaupt nicht und so schafft er sich nach seinem eignen Gusto den reinlichen Duft sauberer Lacken. WoW – ich stelle mir gerade den Duft dieser Wohnung vor. Grandios!

Die Bandbreite von David Jourquins Wirken ist groß. Er kommt aus der Modebranche. In diesem spannenden Métier hat er als Creative Director gearbeitet. Doch der immer intensiver werdende Wunsch, etwas Eigenes zu kreieren und Erinnerungen und Erlebnisse, die seiner Seele entspringen, in ein olfaktorisches Destillat zu verwandeln und mit anderen teilen zu wollen, motivierte den smarten Parfum-Amateur schließlich ein Parfum-Schöpfer zu werden. Obwohl er kein Parfumeur im klassischen Sinne ist, zeichnet er sich durch eine sehr klare Vision und ein sehr feines Gespür für Düfte aus verbunden mit einer sehr großen Achtsamkeit für deren Details. Sein beruflicher Werdegang wurde zu einer emotionalen Suche. Auf dieser Suche begegnete er renommierten Künstlern und Handwerkern (aus den Bereichen der Haute Parfumerie, der Leder-, Glas- und Holzverarbeitung und der Kalligraphie), die durch ihre Kunst und unter dem Zeichen völliger kreativer Freiheit seine olfaktorischen Geschichten erzählen. Diese Geschichten sind authentisch und elektrisierend, wollen jedoch nicht unbedingt jedem gefallen, dafür einige wenige auf eine emotionale Reise mitnehmen.

Ich hoffe, dass euch die heutige Reise in Eves Welt gefallen hat. Ich werde mir heute auf jeden Fall die romantische Komödie Midnight in Paris von Woody Allen anschauen und in seinen Bildern herrlichster Wunschphantasien jenes Paris der Zwanziger schwelgen und dabei ein paar Tropfen Cuir de R’Eve auf meiner Haut genießen.

www.davidjourquin.fr

Fotos © David Jourquin 
Portrait Cécile Zarokian © Cécile Zarokian