soOud Hajj

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Der zweite Duft aus der soOud Kollektion, der es mir angetan hat, hört auf den wohlklingenden Namen Hajj. Zwischen Himmel und Erde wandern Nomaden im Wüstenwind und Hajj entfaltet mit samtigen und kräftigen Duftnoten die ganze Kraft ihrer Weisheit und Spiritualität. Ihr ruhiger Geist inspirierte soOud zu diesem brillanten Wohlgeruch, der ein betörendes Duftambiente heraufbeschwört. Wie ein Liebesbekenntnis an die Vertrautheit einerseits und das ständig in unseren Herzen pulsierende Fernweh andererseits, bringt Hajj die verschiedensten Düfte der Ferne mit – süßlich und würzig – die sich in diesem facettenreichen und sehr aromatischen Parfum mit holzig-moosigen, orientalisch-pudrigen und sehr frischen Anklängen vortrefflich widerspiegeln.
 

Was mich besonders glücklich macht, soOud hat es vermocht mit Hajj einen sehr orientalischen Duft mit all seinem exotischen Naturell zu komponieren und das gänzlich ohne die Ingredienz Oud. In Hajj nutzt soOud die komplette klassische Architektur eines orientalischen Parfums, jedoch werden die einzelnen Duftkomponenten auf sehr ungewöhnliche Weise zusammengeführt, so dass Hajj leichter als viele orientalische Düfte anmutet.

Wie die schwungvolle Ouverture zu einer phantastischen Oper, erfasst Hajj Früchte und Gewürze, wirbelt sie in die Wüstenluft, bis er ihnen ihre kostbaren Säfte und Aromen entzogen hat und vereint diese Ingredienzien in einem unwiderstehlichen Duft von prachtvoller Intensität. Diese verführerische Kombination offenbart mir eine widersprüchliche Duftimpression - dem ebenso süßen, wie auch trockenen und doch vollen orientalischen Odeur - rhythmisch strukturiert und melodisch in seinem besonderen Ausdruck verziert. Das ist ein florientalisches Kleinod nach dem ich schon lange gesucht habe.

Duftkomposition
Kopf • Bergamotte, Kandierte Mandarine, Sternanis
Herz • Rosenholz, Osmanthus, Süßholz (Lakritzstange), Ingwer
Fond • Patchouli, Tolu-Balsam, Tabakblätter und Vétiver
 
Der Auftakt setzt ein köstlich-sinnliches Fluidum frei und verführt mich mit einer milden und saftigen Fruchtsüße aus unglaublich verlockenden, reinen und frisch-herben Nuancen der Bergamotte (und vielleicht auch ein paar Tröpfchen Zitrone). Dieser äußerst zirtischen Impression folgt das außergewöhnlich kraftvoll-majestätische und würzig-warme Aroma von Sternanis. Dieses Gewürz harmoniert besonders gut mit den Zitrusfrüchten und kitzelt aus ihnen einen lebendigen und spritzigen Charakter heraus, der hauchfein mit kandierter Mandarine – warm, süß und weich-fruchtig – unterlegt ist. Diese saftige und spritzige Fruchtigkeit entflammt im irrwitzigen Tempo bei jeder Berührung mit Sternanis regelrecht in hitzigen Vibrationen und es entsteht ein wunderschöner orientalisch-süßer erster Eindruck des Parfums.

Der Duft ist sehr komplex und unterteilt sich in viele Facetten, die sich nach und nach entfalten. Hajj enthält wie die ursprünglichen orientalischen Parfums süßliche, intensive und warme Duftnoten. Dadurch entsteht sein sinnlicher, berauschender und eleganter Charakter. Allerdings braucht der Duft seine Zeit, um auf der Haut anzukommen - abwechslungsreich überlagern sich die Ingredienzien, tun sich zusammen und driften dann wieder auseinander auf ihre Solopfade.

Bei der unermüdlichen Suche nach Harmonien hat sich soOud von der Natur inspirieren lassen und stieß auf die Blüten des immergrünen Osmanthus-Strauches, die einen lieblichen Pfirsichduft mit fruchtig-blumigen und dennoch auch dezent holzigen, ledrigen und animalischen Noten verströmen. Die Kunst bestand nun darin, diesem Duft der Natur eine konkrete, mehr als lebensechte Form zu verleihen. Doch wie lässt sich der fruchtige und honigtröpfchenmilde Duft der Blüten des Osmanthus-Strauches mit ihrer samtig-seidiger Zartheitz um Leben erwecken?
 
Selbstverständlich war dieser blumige Akkord nicht ohne die luftig-leichte Magie einer Rosennote denkbar. Doch anstatt Rosen-Absolue hat soOud einem subtilen Extrakt den Vorzug gegeben. Ein weicher, samtiger und bezaubernder Duft-Nebel mit einem blumigen, leicht rosigen, sogar fast maiglöckchenartigen Duft des ätherischen Rosenholzöls mit seiner süß-würzigen Note gestaltet den Duft wunderbar sinnlich. Ein süßlich-zuckriger Hauch von Lakritze legt sich bald darüber und verbindet sich mit der feurigen, pfeffrigen und fruchtigen Schärfe der strahlenden Ingwer-Gewürznote. Neben der delikaten Süße, verfügt der Duft auch über sehr trockene und auch gewürzige und kräuterartige Akzente, was mir sehr gut gefällt, weil es den Duftverlauf aufregend gestaltet. Dieser olfaktorische Eindruck könnte wohlmöglich auf den ungewöhnlich-intensiven und sehr konzentrierten Duft von Lakritze - mit den süßen, aromatisch-fruchtigen, dezent würzig-bitteren und geringfügig scharfen Nuancen - zurückzuführen sein (eine köstliche und erstaunlich starke Duft-Impression). Lakritze ist eine Komponente, die nicht allzu häufig in Düften anzutreffen ist, hier aber von ihrer schönsten und olfaktorisch facettenreichsten Seite glänzt. Der sahnige Lakritzlikör mischt sich dann mit den so wohltuend-warmen, cremigen und samtigen Hölzern und Harzen. Auf diese Weise entsteht die süchtigmachende Wirkung von Hajj, die den Duft ebenso intensiv wie unvergesslich macht. Kaum erwärmt sich der Duft auf meiner Haut, verströmt er seine ganze, unwiderstehlich natürliche Sinnlichkeit.

Ganz langsam und flüsterleise verwehen die feinen, würzig-warmen, fruchtig-blumigen Nuancen von meiner Haut. Um die volle Magie und Kraft der Duftkomponenten zu voller Entfaltung zu bringen, verführt der opulente Fond mit einem vanilligen Geruch süßlicher Harze, die dieser Komposition eine warme und weiche Note und eine pudrige Einzigartigkeit verleihen. Eingebettet in holzige und erdige Noten von Vétiver und waldig-herbe und balsamisch-süße Nuancen von Patchouli, entwickelt sich ein lang anhaltender sinnlich-warmer und geschmeidig-cremiger Duft auf meiner Haut, der mit Tabakblättern rauchig und dunkel abgerundet wird. Dieser nicht enden wollende sinnliche Drydown fasziniert mich mit exotisch-orientalisch wirkenden Nuancen und lässt eine geheimnisvolle und verführerische Aura entstehen.

Sanft und stark zugleich steht diese Duftkreation für die Harmonie der Weite der Wüste. Ruhige Töne, warm, voller Weichheit und zugleich rau und wild. Diese Duftkreation vereint moderne und traditionelle Elemente der Parfumerie gleichermaßen. Sie ist kraftvoll durch ihre klassische Seite und beflügelt durch ihre Kühnheit. Die Wüste ist in Farben, Klima und Landschaften voller Widersprüchlichkeiten. Diese Nuancen hat soOud fabelhaft in Szene gesetzt. Das Parfumhaus wusste den emotionalen Kern seines Dufts zu erkennen und zu vermitteln und hat einen olfaktorischen Zauberspruch entworfen, der von tiefer Verbundenheit mit der Weisheit der Nomaden aus dem Orient zeugt.

Das aus unendlich facettenreichen Nuancen komponierte Hajj verführt mich mit seiner leuchtenden Strahlkraft und seinen mysteriösen Abgründen. Zunächst fasziniert mich die Deutlichkeit und die Präzision, mit der die einzelnen Duftessenzen zusammengesetzt worden sind und dann die ausgefeilte und sehr individuelle Transparenz ihres Klanges. Kein olfaktorisches Detail geht unter und die Gesamtgestalt bleibt gewahrt. Eine Dualität, die meisterlich zum Ausdruck gebracht wird durch ein Elixier aus zitrischen Akzenten, glühenden Gewürzen, strahlendem Blüten-Nektar, vermählt mit sinnlichen Vanille-Anklängen, Edelhölzern und harzerfüllten Nuancen – als würde der Duft die Frische der kühlen Wüstennächte reflektieren und das Vita contemplativa der Nomaden in den heißen Wüstentage nachzeichnen.

Fotos © soOud / INTERTRADE EUROPE